In
deinem (leider vergriffenen) Roman „Voltaires Arschbacken“ (Chaotic Revelry
Verlag, 2013) präsentierst du ein provinzielles „Sodom und Gomorrha“ (Markus
Köhle, DUM), ein Crossover aus David Schalko und Thomas Bernhard: Der alternde Künstler,
der wie Bernhards Protagonist Reger die gesamte Kulturgeschichte vernichtet,
lebt zwar nicht in Braunschlag, auch nicht in Ohlsdorf, aber in Bad
Subenzipfel. Dort findet ihn der Journalist Peternella, um das Jahrhundertdrama
des alternden, grantigen Schriftstellers Peter zu entdecken und bekannt zu
machen. Der Kampf mit dem Werk – ein Thema das dich interessiert?
Die Auseinandersetzung
Künstler/Künstlerin – Werk ist immer spannend. Der Impuls für „Voltaires
Arschbacken“ war aber eher die Figur des komplett wahnsinnigen Misanthropen
selbst. Während eines relativ öden Jobs hatte ich viel Zeit und hab tagelang
Interviews von berühmten KünstlerInnen gelesen. Handke, Bernhard, Jelinek usw.
Dann noch eine Art Homestory über Botho Strauß, wo ihn eine Reporterin in
seinem von der Außenwelt abgeschiedenen Haus in der Uckermark besucht.
Dabei ist mir aufgefallen, dass, so
eigenständig und originell diese Künstler und Künstlerinnen auch in ihrer
jeweiligen Kunstsparte sind, die Stilisierung der Figur des/der Künstlers/Künstlerin
als „AußenseiterIn am Rande der Gesellschaft“ immer im Prinzip dieselbe war.
Daraus ist wie von selbst die Idee entstanden: Was, wenn da in der Pampa einer
hockt, komplett irre, und seit Jahrzehnten an einem monströsen Werk
herumschraubt. Und was, wenn dann aber in derselben Pampa ein zweiter Typ hockt, der genau so irre
ist?
Die logische Antwort war: die beiden
müssten sich sofort hassen. Weil sie einander den Platz wegnehmen. Weniger den
geografischen Platz, sondern den Platz dieser Figur des Künstlers/der
Künstlerin „am Rande der Gesellschaft“.
Markus
Köhle fasste im DUM (Das ultimative Magazin) „Voltaires Arschbacken“ zusammen:
„Provinz at it's best“ – wo bist du aufgewachsen?
Inneres Salzkammergut, Baby.
Deine
Gedichte, die auf pingeb.org nachzulesen sind, schlagen immer wieder auch
ruhigere Töne an, aber auch hier geht es um den Künstler, sein Tun und Schaffen
und seine Anerkennung vor dem Publikum („Leer ohne die Trompete“) und das alles
ist der Vergänglichkeit ausgesetzt – sind Tragik und Komik zwei Seiten einer
Medaille für Künstler?
Bestimmt. Nicht nur für Künstler, für
alle Menschen.
„Leer ohne die Trompete“ hat Chet Baker
als Inspiration. Wie wir alten Jazz-Freaks wissen, war Chet Baker nicht nur
einer der genialsten Jazztrompeter aller Zeiten, sondern ihm wurden auch 1966
bei einem missglückten Drogendeal die Zähne ausgeschlagen. Für einen Trompeter
ungefähr das Äquivalent zu einem Konzertpianisten, dem man alle Finger bricht.
Danach hat er – so die Legende – als Tankwart gearbeitet während er mit einem
künstlichen Gebiss das Trompetespielen wieder komplett neu lernen musste. 1988
ist er dann gestorben, durch einen Sturz aus einem Hotelfenster.
Chet Baker war einer der seltenen
Menschen, bei denen sich das Gesicht immer mehr seinem Werk angeglichen hat,
je älter er wurde. Irgendwann war dann alles ein Kunstwerk: Leben, Werk,
Gesicht. Im Prinzip war Chet Baker ein einziges herumlaufendes Gedicht, aus
meiner Perspektive.
Und das ist natürlich super für mich,
weil da muss ich fast nichts mehr machen. Ich kann mich einfach zurücklehnen
und sagen: Schaut hin. Dort ist die Action.
In
dem Gedicht „Tage des Grases“ wird nicht der fliegenumschwirrte Schweinekopf
verehrt, sondern das Gras, das sprichwörtlich über alles wächst und die Macht
übernimmt. Die letzte Zeile lautet „Wir sind uns sicher“ – ist unsere
Gesellschaft von irrationalen, aber machtvollen Vorstellungen, denen sie sich
verschreibt, bedroht?
Ich glaube eher, unsere Gesellschaft
wird von unserer Gesellschaft bedroht. Inhärent. Der Mensch ist des Menschen
Wolf usw. Wie im „Herr der Fliegen“: Die Kinder werden am Ende vor sich selbst
gerettet, von den Erwachsenen. Aber wer rettet am Ende die Erwachsenen vor sich
selbst? Niemand. Der Untergang ist nahe. Es gibt kein Entkommen. Alles aus.
Nur ICH habe die Lösung: Ich kann an
dieser Stelle nicht zu viel verraten, aber es hat mit einem goldenen UFO zu
tun, das kommen und uns alle holen wird. Wenn Sie auch in das UFO möchten,
meine Damen und Herren an den Bildschirmen, dann lösen Sie sich innerlich schon
mal von allem irdischen Besitz und überweisen Sie als ersten Schritt dazu bitte 500 Euro auf
folgendes Konto:
Johannes Witek, geboren 1981. Lebt in Salzburg.
Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien und „Was sie im Norden der
Insel als Mond anbeten, kommt bei uns im Süden in die Sachertorte. Gedichte und
Prosa“ (Köln, Chaotic-Revelry-Verlag, 2009), „Gebete an den Alligator und die
Klimaanlage. Schon wieder Gedichte und Prosa (Köln, Chaotic-Revelry-Verlag,
2011), „Voltaires Arschbacken. Endlich ein Roman (Köln, Chaotic-Revelry-Verlag,
2013), „Wenn alle Sängerknaben der Welt das hohe C singen, muss ich mir in den Kopf
schießen“ (Köln, Chaotic-Revelry-Verlag, 2014)